Machtmissbrauch im Mietsystem

- Service - 31. Mai 2025
Ungepflegter Vorgarten
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Ein Zuhause sollte Zuflucht sein. Ein Ort der Sicherheit, der Würde, der Erholung. Doch was, wenn dieser Ort zum Schauplatz permanenter Demütigung wird – orchestriert von jenen, die im Sinne der Bewohner handeln sollten? Wenn Verwalten zum aktiven Verweigern wird?

Unsere Geschichte steht exemplarisch für viele MieterInnen in Deutschland. Es ist der tägliche Kampf gegen ignorante Verwaltungen, rechtliche Grauzonen, systematische Schikane – und in unserem Fall: gegen die eigene Familie als Vermieter.

Ungepflegter Vorgarten
Hier schlägt die Gartenpflege mit über 3000,00 Euro im Jahr zu Buche
Steinbeet
Es wird nur das Laub zusammengepfercht und beseitigt

Zwischen maroden Wänden und moralischer Gleichgültigkeit

Seit unserem Einzug begleitet uns eine Mängelliste, die in Umfang und Schwere einem Lehrbuch über entwürdigende Wohnverhältnisse gleicht:

  • Schimmel in allen Wohnräumen – gesundheitlich bedenklich, sorgfältig dokumentiert, dennoch ignoriert.
  • Über 40 Jahre alte Heizkörper, die in der kalten Jahreszeit nur bedingt funktionieren.
  • Unzuverlässige Warmwasserversorgung – duschen wird zur Zumutung, weil die Temperatur plötzlich zwischen eiskalt und brühend heiß schwankt.
  • Fehlende sicherheitstechnische Standards: keine Gegensprechanlage, kein Türspion.
  • Fenster aus den 1950er-Jahren, marode, zugig, energetisch völlig ineffizient.
  • Wasserschäden wurden verschwiegen, bzw. geleugnet
  • Hellhörige Bauweise, weil viele Innenwände in Leichtbauweise errichtet wurden – selbst alltägliche Geräusche dringen ungehindert durch.

Das Haus ist ein Mischobjekt: Wohn- und Gewerbemieter unter einem Dach. Doch Rücksichtnahme funktioniert einseitig. Wohnmieter müssen Lärm und Betrieb der Gewerbeeinheiten dulden – auch wenn Türen laut ins Schloss krachen oder Klingelsignale durch die Wände hallen. Modernisierungen, wie Türdämpfer oder schallisolierende Maßnahmen? Fehlanzeige.

Hinzu kommen überfüllte Müllcontainer – regelmäßig mit Gewerbemüll blockiert, sodass für die Wohnparteien kaum Platz bleibt. Alte Farbschichten überdecken Schäden, ohne sie zu beheben – Symptombekämpfung statt Instandhaltung.

Anfangs gab es Reaktionen seitens der Hausverwaltung – zurückhaltend, aber immerhin. Doch irgendwann kam die Wende. Wörtlich hieß es: „Wenn ihr euch an den Mieterverein wendet, machen wir nichts mehr für euch.“ Seither herrscht Stillstand – oder besser: aktive Verweigerung.

Müllcontainer randvoll mit Gastromüll
Bis oben hin voll mit Gewerbemüll.
Müllcontainer randvoll mit Gastromüll
Essensreste vom Restaurant, Konserven, Pappe, alles in einer Hausmülltonne.
ungepflegte Terrasse
Während der Renovierung unserer Wohnung haben die Handwerker diese Baumkübel als Toilette benutzt.
Pinkelbaum
Der Baum sowie die Ecke an der Regenrinne werden regelmäßig als Toiletten benutzt. Die umliegenden Cafés bzw. Imbiss haben kein WC - viele Gäste erledigen ihr Geschäft hinter unserem Haus.
Müllcontainer heruntergekommen
Abgesehen von der Optik zeigen die Ketten mit Schloss den Einfallsreichtum der Hausverwaltung um Kosten zu sparen.

Ignoranz als Methode – und kein Einzelfall

Was zunächst wie Inkompetenz wirkt, entpuppt sich schnell als Strategie. Die Verwaltung reagiert nicht aus Unfähigkeit – sondern aus Kalkül. MieterInnen, die auf Missstände hinweisen, werden ignoriert, unter Druck gesetzt oder durch Abmahnungen gezielt destabilisiert.

Typisches Muster laut Mietervereinen, Medien und Urteilen:

  • Mängelanzeigen verschwinden „versehentlich“.
  • Betriebskostenabrechnungen differieren selbst in baugleichen Häusern.
  • Bestimmte MieterInnen werden gemaßregelt, andere dürfen tun, was sie wollen.
  • „Verwarnungen“ per Mail ersetzen Kommunikation.

Das Amtsgericht Schöneberg etwa stellte 2021 (Az. 7 C 90/20) fest, dass eine Hausverwaltung ihre Instandhaltungspflicht systematisch verletzte. Der Mieter bekam Recht – doch der Rechtsweg dauerte über ein Jahr.

Schlafzimmer vor der Renovierung
Das Schlafzimmer vor der Renovierung und dem Einzug.
Schimmel an Wand
Rechte Ecke drei Monate nach Einzug.

Wenn Familie zum Geschäftsmodell wird

Unsere persönliche Erfahrung ist dabei besonders bitter: Der Eigentümer ist ein Verwandter. Es wurde mündlich eine faire, feste Nettomiete zugesagt. Der unterschriebene Vertrag enthielt jedoch eine Indexmietklausel – eine automatische Mieterhöhung bei steigender Inflation. Eine solche Regelung war zuvor nicht erklärt oder besprochen worden. Wir hatten darauf vertraut, dass die zugesagte Vereinbarung auch schriftlich umgesetzt wird – ein Vertrauen, das sich als Irrtum herausstellte. Später wurde uns sogar mitgeteilt, die Klausel sei als eine Art „Strafe“ gedacht gewesen – was uns tief betroffen machte, da dies wie eine familiäre Disziplinarmaßnahme wirkte.

Besonders verletzend empfanden wir zudem die öffentliche Darstellung, wir seien „gerettet“ worden – angeblich vor drohender Obdachlosigkeit. Diese Aussage entspricht nicht den Tatsachen.

Juristische Bewertung (unsere Sicht): Eine Täuschung im Sinne von § 123 BGB erscheint möglich. Denn:

  • Vor Vertragsunterzeichnung wurde mündlich eine feste Miete ohne Steigerung vereinbart.
  • Über die Indexmiete wurden wir nicht aufgeklärt.
  • Die Klausel steht im Widerspruch zur vorherigen Absprache.
  • Als juristisch unerfahrene Mieter in einem familiären Verhältnis gingen wir von besonderer Offenheit und Fairness aus.
  • Die spätere Rechtfertigung der Klausel als „Strafe“ spricht für einen manipulativen Beweggrund.
  • Soweit uns bekannt, ist diese Klausel im Haus ein Einzelfall – andere Mieter zahlen keine Indexmiete.
Kabel, die aus der Wand kommen
"Kabelkunst" im Kinderzimmer. "Ihr könnt da doch was vor machen!" war die Aussage des Vermieters.
ungepflegte Terrasse
Auch hier sollten wir unseren Teil dazu beitragen und die alten Pflanzenkübel einfach "in den Müll werfen" so der Eigentümer, nachdem die Vormieterin ausgezogen ist.

Die Mär von den Mietnomaden – und wie sie Missbrauch legitimiert

Fragt man Vermieter, warum sie restriktiv oder abschreckend auftreten, folgt oft reflexartig der Verweis auf „Mietnomaden“ – jene angeblich ständig wechselnden, zahlungsunwilligen Mieter, die Wohnungen ruinieren. Dieses Narrativ hat sich festgesetzt, obwohl es mit der Realität kaum zu tun hat: Laut Bundesjustizministerium liegt die Zahl der tatsächlichen Mietnomaden im Promillebereich – ein verschwindend kleiner Bruchteil.

Und doch dient diese Angst als Generalverdacht – als Vorwand, um willkürlich vorzugehen: scharfe Bonitätsprüfungen, harte Bedingungen, mangelnde Kulanz. Gleichzeitig schützt das Image des „guten Vermieters“ vor öffentlicher Kritik – obwohl Missbrauch auf dieser Seite weitaus häufiger und folgenreicher ist.

Machtgefälle bei der Wohnungsvergabe – ein rechtsfreier Raum?

Wer heute eine Wohnung sucht, erlebt ein weiteres Ungleichgewicht: Die Nachfrage ist so hoch, dass Vermieter faktisch alle Bedingungen diktieren können – und das nutzen sie weidlich aus.

Unrechtmäßige Auskunftsersuchen sind an der Tagesordnung, zum Beispiel:

  • Arbeitgebernachweis inklusive Gehalt
  • Schufa-Auszug in Originalform
  • Angaben zu Religion, Familienplanung, Vorstrafen
  • Fragen nach Krankheiten oder politischer Orientierung

Rechtlich ist vieles davon nicht zulässig, aber: Wer sich verweigert, bekommt die Wohnung schlicht nicht. Das System belohnt Gefügigkeit – nicht Rechtstreue. Es fehlt an klaren gesetzlichen Vorgaben, an Kontrolle und an Sanktionsmöglichkeiten für Vermieter, die diese Macht missbrauchen.

Systemisch gewollte Ohnmacht

Wir sind kein Einzelfall. Immer mehr MieterInnen berichten von:

  • Verwaltern, die bei Beschwerden in den „Nicht-Erreichbar-Modus“ wechseln.
  • Verdeckten Sonderzahlungen, z. B. für Vertragsverlängerungen bei Gewerbemietern – vierstellige Beträge, nicht offiziell, sondern „per privater Mail“.
  • Abrechnungen, die keiner Prüfung standhalten – aber nie Einsicht gewähren.
  • Unterschiedlicher Behandlung von Mietparteien bei identischen Pflichten.

Viele schweigen. Aus Angst. Aus Erschöpfung. Oder weil sie wissen, wie schwer es ist, überhaupt jemanden zu finden, der bereit ist, sie juristisch zu vertreten.

Rechte? Ja. Durchsetzung? Kaum.

MieterInnen haben Rechte. Auf Gesundheit. Auf Instandhaltung. Auf klare Nebenkostenabrechnungen. Auf Gleichbehandlung.
Aber diese Rechte nützen wenig, wenn:

  • Mietervereine keine gerichtliche Vertretung leisten dürfen.
  • Anwälte Mieterklagen meiden, weil sie schlechter vergütet werden als Eigentümermandate.
  • Rechtsschutzversicherungen zwar zahlen, aber nur bei bestimmten Kanzleien – die oft nicht erreichbar sind.
  • Mietminderungen rechtlich möglich, aber existenziell riskant sind.

Wer die Miete kürzt, obwohl er im Recht ist, gerät in Verzug – und riskiert die Kündigung. Ein absurdes System, das Anspruch gewährt, aber Bestrafung vorsieht, wenn man ihn nutzt.

Verwalter: Schattenakteure mit zu viel Macht

Hausverwaltungen agieren im Auftrag der Eigentümer – und doch oft wie eigene Machthaber. Ihre Verantwortung ist enorm, ihre Kontrolle minimal. Kein Register, keine Qualifikationspflicht, keine Aufsicht – aber Zugriff auf die Lebensrealität Hunderttausender.

Wer nicht handelt, gefährdet.
Wer absichtlich schweigt, schikaniert.
Wer Willkür zulässt, entmündigt.

Der Holzfensterrahmen ist noch von 1954 als das Haus erbaut wurde.
Verschimmelter Fensterrahmen
So verrottet, dass uns die Handwerker diese Bilder ganz entsetzt gezeigt haben.

Unser Appell

Wir kämpfen. Gegen Schimmel. Gegen Verleumdung. Gegen strukturelle Verantwortungslosigkeit.
Wir kämpfen für ein Recht, das nicht nur auf dem Papier besteht. Und wir erzählen unsere Geschichte – nicht, weil sie außergewöhnlich ist, sondern weil sie zu gewöhnlich geworden ist.

Wohnen ist ein Menschenrecht.
Verwalten ist keine Machtausübung, sondern Dienst am Gemeinwohl.
Und wer dieses Gleichgewicht bewusst zerstört, muss sich nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich verantworten.

Denn Schweigen schützt – aber immer die Falschen.

Handlungsempfehlungen

Für Mieter, die sich gegen Machtmissbrauch von Hausverwaltungen wehren möchten, gelten folgende Empfehlungen:

  1. Dokumentation: Alle Vorfälle sollten schriftlich festgehalten und mit Fotos oder Zeugen belegt werden.
  2. Rechtliche Beratung: Vor Maßnahmen wie Mietminderungen sollte rechtlicher Rat eingeholt werden.
  3. Kommunikation: Schriftliche Kommunikation mit der Hausverwaltung ist wichtig, um Beweise zu sichern.
  4. Netzwerken: Der Austausch mit anderen Mietern kann helfen, gemeinsame Probleme zu identifizieren und gemeinsam vorzugehen.
  5. Öffentlichkeit suchen: In manchen Fällen kann die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam gemacht werden, um Druck auf die Hausverwaltung auszuüben.

Machtmissbrauch durch Hausverwaltungen ist ein ernstzunehmendes Problem. Mieter sollten ihre Rechte kennen und sich nicht scheuen, diese einzufordern. Mit der richtigen Strategie und Unterstützung können sie sich gegen unrechtmäßiges Verhalten zur Wehr setzen.

Was Vermieter (nicht) fragen dürfen – und was viele trotzdem tun

Unzulässig vor der Vertragsunterzeichnung:

Diese Fragen verstoßen gegen Datenschutz- und Gleichbehandlungsrecht – sie dürfen nicht gestellt werden:

  • Religionszugehörigkeit / Konfession
  • Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Familienplanung
  • Gesundheitszustand / psychische oder körperliche Erkrankungen
  • Parteizugehörigkeit / politische Überzeugung
  • Vorstrafen (wenn ohne direkten Mietbezug)
  • Fragen zur Herkunft, Staatsangehörigkeit (außer zur Identitätsfeststellung)

Oft verlangt – aber rechtlich problematisch:

Diese Angaben dürfen nur bei konkreter Mietzusage oder kurz vor Vertragsabschluss abgefragt werden – nicht schon in der Bewerbungsphase:

  • Arbeitgebername & genaue Gehaltsangabe
  • Original-Schufa-Auszug (statt einfacher Bonitätsauskunft)
  • Bestätigung des vorherigen Vermieters
  • Einblick in Kontoauszüge

Zulässig vor Vertragsabschluss:

Folgende Fragen dürfen Vermieter stellen – sie sind relevant für das Mietverhältnis:

  • Anzahl der einziehenden Personen
  • Haustiere (bei Art & Größe, nicht pauschal)
  • Höhe des Einkommens (als Selbstangabe, ohne Details)
  • Zahlungsschwierigkeiten oder Mietschulden (falls nachgewiesen)

Tipp für MieterInnen: Du musst unzulässige Fragen nicht wahrheitsgemäß beantworten – laut Rechtsprechung (BGH & AGG) besteht in diesen Fällen ein Recht zur Lüge, ohne dass dies als Vertragsbruch gewertet werden darf.

Unser Appell: Der Gesetzgeber muss handeln. Es braucht:

  • Ein klares Regelwerk
  • Verstärkte Aufklärung
  • Und Sanktionen für rechtswidriges Verhalten

Habt ihr Ähnliches erlebt? Wurdet ihr ignoriert, unter Druck gesetzt oder ungerecht behandelt? Dann schreibt uns! Wir geben euch hier eine Stimme, eine Plattform – denn Schweigen schützt nur die Falschen. Gemeinsam können wir laut sein. Und gemeinsam können wir etwas bewegen.

redaktion@dorfkeern.de

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